1. KulturKontakte-Werkstattgespr�ch
Vortrag
Prof. Dr. Wulf Köpke Museum für Völkerkunde, Hamburg
Ist Kultur heute noch finanzierbar?
Die Möglichkeiten des "New Public Managements"
Stichworte zum Vortrag am 13. 9. 2002 in Stade
Die Erfahrungen des Referenten auf diesem Gebiet:
Lange Praxiserfahrung im Museumswesen. Seit 1. Januar 1999 Leiter einer Stiftung öffentlichen Rechts mit kaufmännischer Buchführung.
In dem folgenden Vortrag werden keineswegs die derzeit so beliebten "Rezepte" gegeben "Wie akquiriere ich am erfolgreichsten
Sponsoren" - die nach meiner Meinung selten erfolgreich sind. Das nötige zusätzliche Geld für erfolgreiche Kulturarbeit liegt nicht,
wie manche meinen, "auf der Straße". Es geht um Mitteilung von Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis.
Wir sprechen von "Kultur" - was ist damit eigentlich gemeint?
Hochkultur? Privat finanzierte Kultur wie Musicals?
Die Kulturschaffenden betonen fast rituell immer wieder: "Kultur muß sein". Was ist aber, wenn immer weniger Leute hingehen?
Z.B.: Muss Oper noch sein? Ist Oper der alleinige Ausweis für Hochkultur?
Tatsache ist: Die Schicht der Bildungsbürger schrumpft, das bisherige Kulturangebot wird nicht mehr selbstverständlich akzeptiert.
Tatsache ist aber auch: Es gibt immer und überall ein tief empfundenes Bedürfnis nach Kultur. Kultur ist also nötig. Sie muss aber neu gedacht werden.
1. Kernsatz:
Kultur ist Standortqualität - Kultur ist Lebensqualität.
Die Kulturdichte in Mitteleuropa - weit über 5.000 Museen allein in Deutschland, mehrere hundert Theater, mehrere hundert
Symphonieorchester, mehrere tausend Bibliotheken usw. - ist weltweit einzigartig. Wir sollten uns dessen bewusst sein.
Es gibt in dem Sinn in Deutschland keine kulturfernen Orte mehr, keine "Provinz" im negativen Sinn. Wir sollten uns dieser Qualität mehr bewusst werden.
2. Kernsatz:
Ist das alles noch zu finanzieren?
Nein, in der bisherigen Form nicht.
Widerspruch: Kultur ist nötig, aber nicht finanzierbar - wie kann sie dann doch finanziert werden?
Wer kann diese Finanzierung sicherstellen?
Es gibt drei Möglichkeiten (aufgeführt in der Reihenfolge ihrer Bedeutung):
- Der Staat
- Die Institutionen selber
- Sponsoren
Der Staat - was kann er tun, auch wenn er kein Geld gibt?
Er kann geeignete Rahmenbedingungen schaffen:
- z. B. steuerlich
- haushaltsrechtlich (Globalhaushalt)
- tarifrechtlich
- durch Entbürokratisierung
- durch Schaffung von besseren Möglichkeiten für Arbeitslose zur freiwilligen Mitarbeit
- durch Belohnung von Sparsamkeit, nicht durch Bestrafung von sparsamer Haushaltsführung
- durch Förderung des Wagemuts der Institutionen
Der Staat muss seine Erwartungen an die Kulturinstitutionen festlegen und gemeinsam mit ihnen definieren, was er als "Erfolg" betrachtet.
Der Staat - was kann er tun, wenn er Geld gibt?
- Altlasten wegnehmen (z. B. ungenügende Magazine in Museen, ungeeignete Gebäude u. a.)
- Infrastrukturmaßnahmen ermöglichen
- Investitionen tätigen (dabei müssen unbedingt die Folgekosten berücksichtigt werden)
Es ist wichtig, dass der Staat stolz ist auf seine Kulturinstitutionen!
Was können die Institutionen selber tun?
3. Kernsatz:
Keine Angst vor Marketing!
4. Kernsatz:
Nur Qualität zahlt sich aus!
Inhaltslosigkeit und Phantasielosigkeit führen nicht dauerhaft zu einem Publikumserfolg!
Am Anfang sollte stehen:
- Schonungslose Analyse der eigenen Situation und Institution
- Wer braucht Sie? Was wäre, wenn es die Institution nicht gäbe?
- Wenn man Sie braucht: Muß die Institution langweilig sein?
- Was will die Institution? Leitbild entwickeln
- Nicht-Besucheranalyse durchführen, z. B. mit der Universität in Lüneburg
- Analyse: Wie wirkt das Haus auf Besucher?
- Auf Kritik hören
- Beschwerdemanagement
- Dialog mit dem Publikum aufnehmen
- Telefonische Erreichbarkeit
- Überprüfen der Öffnungszeiten
- Servicefreundlichkeit
- Einstellen auf den Besucher
- Zielgruppenanalyse
- Wie wird der Inhalt aufbereitet - muß Wissenschaft ernst sein?
- Vermietung möglichst nur mit Museumsbezug
- Wirkung der Werbung überprüfen
- Mundpropaganda verstärken
- Partnerschaft zur Presse aufbauen
- Für sich selbst klären, welche Mission man hat - von der Mission überzeugt sein
In der Folge:
- Inhalt noch interessanter machen
- Analysen immer wieder überprüfen
- Immer an der Verbesserung des Service arbeiten
Was können Sponsoren tun?
Wenig Erwartungen in Sponsoren setzen; nur 0,65 % des gesamten Sponsoring-Aufkommens gehen derzeit in den Kulturbereich.
Es ist unrealistisch, bei einem Projekt nur auf Sponsoren zu bauen. Aber: Man sollte immer offen für Sponsoren sein und
für den Fall des Falles Projekte bereits fertig zur Hand haben!
Sponsoren sind betreuungsintensiv.
Sponsoren schließen sich am ehesten an erfolgreiche Institutionen an.
Wenn Sponsoren kommen, muss der Service stimmen.
5. Kernsatz:
Der größte Sponsor kann der Bürger sein!
Nicht nur Förderkreise sind wichtig für Kulturinstitutionen. Es sind zielgruppengerechte Arbeitsmöglichkeiten zu erschließen.
Das sich Öffnen zum Bürger hin ist wichtig, auch wenn dies sehr arbeitsaufwendig ist.
Letzter Kernsatz:
Sponsoren kommen (fast) von alleine, wenn die Mission der Institutionen fassbar ist und Organisation und Ausstrahlung stimmen.
Wunder sind aber nicht zu erwarten.
Bei Berücksichtigung aller dieser Faktoren ist Kultur auch in Zukunft finanzierbar. Aber: Leicht wird es nie sein!
"Wenn der Dialog beginnt, ist der erste Schritt getan ..."
Auszüge aus der anschließenden Diskussion
Warum ist es so schwierig, mittelständische Unternehmen für das Kultursponsoring zu gewinnen?
Bislang hat es kaum Versuche gegeben, diese beiden Seiten zusammenzubringen. Daher ist diese
Veranstaltung auch so wichtig. Auch von Seiten der Kulturschaffenden hat es wenig phantasievolle Versuche gegeben.
Beide Seiten müssen sich fragen: Was haben wir davon und wofür stehen wir? Was können wir dem einzelnen Unternehmen bieten?
Es scheint oft, daß der Mittelstand wenig Interesse am Kultursponsoring hat und wenn man diesen anspricht,
bekommt man manchmal eine Summe von vielleicht 100 Euro.
Das Problem ist, daß kleine und mittelständische Unternehmen oftmals kein Budget für Kultursponsoring eingeplant haben.
Viele Unternehmer sind regelrecht verdutzt, wenn man sie auf Kultursponsoring anspricht, da sie sich darüber noch nie
Gedanken gemacht haben. Oftmals ist ein Bewusstsein für Sportsponsoring vorhanden, aber nicht für die Kultur.
Daher ist es sehr wichtig, ein Bewusstsein für das Kultursponsoring und seine Notwendigkeit zu schaffen.
Die 100 Euro sollte man nehmen und sich darüber freuen, denn es ist schon mal ein Anfang. Man muß sich die Leute auch
"heranziehen", am besten durch persönliche Ansprache, denn dadurch wird es in vielen Fällen mehr.
Man hält den Kontakt, lädt die Leute immer wieder ein, informiert sie und irgendwann kommt dann auch die Gelegenheit.
Man sollte Sponsoring als ein Geschäft sehen. Es beruht auf Leistung und Gegenleistung. Die Kulturinstitution schreibt eine Rechnung,
die Firma kann es absetzen. Es ist nicht nur ein Nehmen seitens der Kulturschaffenden, sondern die Firma bekommt auch etwas dafür zurück.
Leider haben wir mit Firmen hier im Landkreis diesbezüglich eher schlechte Erfahrungen gemacht. Das Konzept des Sponsoring funktioniert hier noch nicht.
Leistung - Gegenleistung ist wichtig, aber hier geht es ja zunächst einmal um den Dialog zwischen Wirtschaft und Kultur,
d.h. wir machen zunächst einmal kleine Schritte. Vielleicht fließt nicht gleich Geld, aber es ist auch Leistung - Gegenleistung,
wenn zunächst einmal auf beiden Seiten der Bekanntheitsgrad erhöht wird. Der Dialog muss erst einmal beginnen, denn momentan
ist eher noch auf beiden Seiten Schweigen. Die einen sagen, woher soll ich das Geld nehmen, die anderen sagen, die kennen wir
überhaupt nicht. Ziel ist es, das Gespräch zu beginnen. Es kann in Sponsoring enden, das wäre wunderbar, wobei sich die
Gegenseite natürlich immer nach einiger Zeit fragt, was hat mir die Unterstützung dieses Projektes gebracht. Aber
wenn der Dialog beginnt, ist viel gewonnen. Und wenn es nicht klappt mit einem Sponsor kann man sich auch fragen,
woran liegt es, was könnten wir bei uns verbessern?
Man sollte auch die mittelständischen Unternehmen ganz klar von den Großunternehmen trennen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Das Großunternehmen hat einen bestimmten Etat für Sponsoring zur Verfügung, den es verbrauchen kann.
In kleinen Unternehmen haben sie mit dem Inhaber zu tun, der kein Budget extra für Sponsoring vorgesehen hat. Er hat höchstens ganz
persönliche Interessen und Leidenschaften. Er wird sich daher die Einrichtungen herauspicken, die seinem Interesse am nächsten kommen.
Auch Politiker sind unsere Geldgeber. Und der Geldgeber muss davon überzeugt werden und muss mit uns einig sein, daß die Kriterien,
was eine erfolgreiche Kulturinstitution ausmacht, gemeinsam definiert werden. Es kann der Politik natürlich nicht alleine überlassen
werden, die Kriterien festzulegen. Aber es muss definiert werden, damit man überhaupt von einem Erfolg reden kann. Es muss vorher eine Vereinbarung geben.
Diese Veranstaltung dient der Bewusstseinsbildung, aber es ist schwierig, Politiker zu fragen, was für sie eine erfolgreiche kulturelle
Einrichtung ist, denn die Meinungen würden sehr auseinandergehen. Besser ist es, wenn jede Einrichtung für sich selbst Erfolg definiert
und versucht, ihre Maßnahmen entsprechend umzusetzen und in die Öffentlichkeit und damit auch in die Politik zu bringen, um dann die
Politiker stolz darauf sein zu lassen.
Auch ein mittelständisches Unternehmen sollte stolz sein auf die Vielfalt der Kultur in seiner Region oder Stadt und kann diese nutzen,
um damit für sich zu werben. Eine attraktive Region bietet der Firma einen Imagevorteil.
Wenn man einen Sponsor gewinnen will, sollte man sich auch in die Lebenswirklichkeit desjenigen einfühlen. Sportvereine gehören z.B.
zur Lebenswirklichkeit von sehr vielen Menschen. Manchmal besteht vielleicht die Möglichkeit, einen Sponsor zunächst einmal "anzufüttern",
indem man sich in seine Lebenswirklichkeit begibt und einen positiven Kontakt herstellt, den man dann später versucht auszuweiten.
Kernpunkt ist, sich in jemanden hineinzudenken. Briefe alleine bringen meistens nichts. I.d.R. ist es von Vorteil, persönlich "an den Leuten dran zu sein".
Kann das Kulturamt einer Stadt etwas für die Kultureinrichtungen tun, z.B. indem es hilft, den Dialog zwischen Wirtschaft und
Kultur voranzutreiben und zwischen beiden Seiten vermittelt?
Auf jeden Fall. Aus dem Bauch heraus könnte man vorschlagen: Gründen Sie einen Arbeitskreis "Wirtschaft und Kultur in der Stadt XY"
und laden sie dazu einmal im Monat ein. Es wird sich sicherlich etwas Positives daraus ergeben.
Wie kann man in einem kleinen Haus, mit z.B. 2 Mitarbeitern, die hier genannten klassischen Instrumente des Marketings anwenden?
In einem mir bekannten kleinen, ländlich gelegenen Museum arbeiten 2 Frauen, die einfach ganz viele Leute ansprechen.
Dann haben sie einen "Verein der Freunde" gegründet, der mittlerweile Träger von dem Haus ist, weil der Staat sich völlig
zurückgezogen hat. Sie suchen sich energisch die Leute für den Verein zusammen und lassen sich von ihnen unterstützen.
Z. B. ein pensionierter Redakteur mit guten Kontakten zu den ansässigen Zeitungen hilft ihnen, dort in die Häuser hineinzukommen.
Solche Leute suchen sie sich ganz gezielt zusammen. Dann haben sie dafür gesorgt, dass ihr Museum in die Stadtführungen mit
eingebunden wird, indem sie im Museum anfangen. Dann sind sie in die Schulen gegangen, damit jede 4. Klasse mal im Museum
gewesen ist, und sie machen immer wieder Aktionen mit den Schulen. Sie ziehen sich Freunde heran und kriegen es so hin.
Wenn es ganz schwierig wird, wenden sie sich auch mal an das Rheinische Museumsamt, aber zum großen Teil ist es persönliche
Ansprache: jeden kennen, überall präsent sein. Obwohl sie keine Professionellen sind, schaffen sie es durch die persönliche
Ansprache zu überzeugen und sich einen Namen zu machen. So konnten sie auch den Bürgermeister für ihre Sache gewinnen,
der ihnen bei Schwierigkeiten in einem gewissen Rahmen unter die Arme greifen kann.
Der Konkurrenzkampf um Sponsoren zwischen den Kultureinrichtungen kann zu einem Problem werden, denn oft steht nur
eine kleine Anzahl von Firmen in einer Region zur Verfügung.
Die Kultureinrichtungen sollten sich nicht als Konkurrenten sehen, sondern sollten zusammenarbeiten, indem man die potentiellen
Sponsoren um gezielte Förderung eines Projektes bittet, so dass auch die Projekte anderer Anbieter bei dem selben Sponsor zum Zuge kommen.
So bekommt in dem einen Jahr mal der eine, in dem anderen Jahr mal der andere eine höhere Förderungssumme. Dies gelingt jedoch
nur bei einer Zusammenarbeit der Kultureinrichtungen und nicht wenn jede Institution versucht, immer das größte Stück vom
Kuchen zu bekommen. Ein Konkurrenzkampf untereinander ist idiotisch. Man sollte lieber versuchen zusammen daran zu arbeiten,
dass der Kuchen insgesamt größer wird. Auch kann ein Konkurrenzkampf die Sponsoren verschrecken, da sie nicht
mit "Bettelbriefen" überschüttet werden wollen.
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